Verleihung des Hiltrud Schäfer-Kunstpreises

Begrüßungsrede Stadtrat Wolfgang Beckermann

Sehr geehrte Preisträger:innen,
sehr geehrte Familie von Hiltrud Schäfer,
sehr geehrte Vertreterinnen von Dreidimensional e.V.,
sehr geehrte Vertreter:innen der Freunde der Kunsthalle e.V.
sehr geehrte Frau Jehle und Frau Schickedanz,
liebe Gäste!
Heute erhalten die Preisträger:innen den Hiltrud-Schäfer-Kunstpreis für ihre eingereichten Konzepte.
Verbunden ist die Veranstaltung mit der Ausstellung der umgesetzten Installationen.
Für die Stadt Osnabrück ist das außerordentliche bürgerschaftliche Engagement bei der Entwicklung
des Projektes Hiltrud Schäfer-Kunstpreis von hoher Bedeutung. Dafür danke ich allen Beteiligten ganz herzlich!
Dazu gehört nicht nur, dass die Familie von Hiltrud Schäfer und die Freunde der Kunsthalle Osnabrück e.V. den wesentlichen Teil der Finanzierung des Projektes ermöglicht haben.
Die Stadt Osnabrück und der Landschaftsverband Osnabrücker Land, den ich hier auch vertrete, haben gern die notwendige restliche Finanzierung übernommen. Die bemerkenswerte kooperative ehrenamtliche Organisation des Projektes des Vereins Dreidimensional, der Familie Hiltrud Schäfers,
den Freunden der Kunsthalle und der Kunsthalle beeindruckt mich sehr. Ich habe mit dem Projekt eine enorme emotionale Verbindung der Osnabrücker Kulturszene wahrgenommen.
Hiltrud Schäfer war eine sehr bedeutende und prägende Künstlerin Osnabrücks und als Vorstandsmitglied des Landschaftsverbandes möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass der Landschaftsverband dies gewürdigt hat, indem er Hiltrud Schäfer den 1. Kunstpreis des Landschaftsverbandes verliehen hat.
Die Organisator:innen haben mit viel kulturpolitischen Überlegungen, die Ausschreibung des Preises
so vorgenommen, dass er eine sinnvolle Ergänzung zum Kunstpreis des Museums- und Kunstvereins
und des Kunstpreises des Landschaftsverbandes ist.
Es ist mir ein Anliegen auch die Rolle von Dagmar von Kathen hervorzuheben:
Sie ist, neben all den Beteiligten, die „Mutter des Projektes“.
Mit einer unglaublichen Akribie, Sorgfalt und Liebe zum Detail hat sie alles durchdacht und geplant, gewusst, was wann, wo und wie einzustielen ist. Sie hat Familie Schäfer, die Kunsthalle und die Skulptur-galerie zusammengedacht und zusammengebracht. Ihr gebührt ein ganz besonderer Dank!
Meine Damen und Herren, dass 178 Künstler:innen sich um den Preis beworben haben, ist Ausdruck davon, dass es für Rauminstallationen ansonsten eher wenige Ausschreibungen gibt. Die große
Resonanz auf die Ausschreibung dokumentiert, dass es hier zweifelsohne einen Bedarf gibt.
Dass die Ausschreibung die Kulturregion Osnabrück weit fasste, sodass Bewerbungen auch aus Münster, Bielefeld, Hannover, Bremen, Oldenburg möglich waren, rückt Osnabrück vorbildlich ins Zentrum dieser Kulturregion. Das freut mich insofern besonders, weil ich mich sehr mit dieser großen Kulturregion und jeder der genannten Städte besonders verbunden fühle und ohnehin meine: Kultur muss groß denken!
Für die Stadt Osnabrück spreche ich den Preisträger:innen des Hiltrud Schäfer-Kunstpreises meine Hochachtung und meinen Glückwunsch aus

Entwicklung des Projektes Hiltrud Schäfer Kunstpreis
Gerrit Schäfer

Der Hiltrud Schäfer-Kunstpreis würdigt das einzigartige Schaffen der Osnabrücker Ausnahme- Künstlerin Hiltrud Schäfer. Der Kunstpreis möchte den Namen Hiltrud Schäfer lebendig halten und gleichzeitig andere Künstler:innen und ihr Schaffen fördern.
Hiltrud Schäfer hat mit ihrer Kunst nicht nur die Osnabrücker Kunstwelt entscheidend mit geprägt – sie hat sich auch mit Verve für die Kunstszene Osnabrücks eingesetzt. Als Gründungsmitglied und langjährige Vorsitzende des Vereins der „Freunde der Kunsthalle“ hat sie in der Region ein konstruktives Miteinander und den lebhaften Austausch gefördert.

So heißt es in der „Präambel“ der Ausschreibung

Wie kam es zum Hiltrud Schäfer-Kunstpreis?

In den letzten Wochen ihres Lebens kamen u.a. auch Juliane Schickedanz, eine der Direktorinnen der Kunsthalle, zu Hiltrud zu Besuch an den Schürmannskamp, und kurz danach folgten ihr Dagmar von Kathen und Reinhart Richter.
Sie fragten Hiltrud, ob sie sich einen Kunstpreis mit ihrem Namen vorstellen könne. Beschämt hat sie mit den Worten, „das bin ich doch gar nicht wert“, zugestimmt.

Für die Vergabe eines Kunstpreises braucht man – neben einer Idee, Idealismus und viel Engagement – Mitstreiter und Unterstützer – vor allem auch – finanzielle Mittel – also Geld.

1. Grundstock – Spenden

Eines haben und mussten wir sehr schnell entscheiden: die Traueranzeige mit einen Spendenaufruf für einen Kunstpreis zu verbinden.
Hier der große Dank an die vielen Spender:innen , die diesem Aufruf nachgekommen sind.

2. Grundstock – Kunstverkäufe

Der 2. Grundstock der Finanzmittel ist zustande gekommen durch die Kunst-Verkäufe bei der Ausstellung „Hiltrud Schäfer – Werkschau“ im Sommer 2023 hier in der Kunsthalle – und – man kann es glaube ich so sagen – ein voller Erfolg!
An dieser Stelle daher nochmals ein großes Dankeschön an die Verantwortlichen der Kunsthalle und der Freunde der Kunsthalle für die großartige Unterstützung – und natürlich an die Käufer von Kunstwerken – die gesamten Einnahmen fließen in den heute zu vergebenden Kunstpreis.

Insgesamt kommen so 25.000 € zusammen, die das finanzielle Fundament für den Hiltrud-Schäfer- Kunstpreis bilden.
Jetzt beginnt eigentlich erst die inhaltliche Arbeit – die programmatische Ausrichtung und Zielstellung des Preises.

Der Arbeitskreis besteht im Kern aus Juliane Schickedanz, Dagmar von Kathen, Manfred Blieffert, Afra Creutz, Reinhardt Richter, meiner Schwester Silke und mir.
Neben der Annäherung an die Themen und Ziele, die Trägerschaft und die Ausstellungsorte etc., wird ein erster Kosten- und Finanzierungsplan erstellt – dabei wird auch sehr schnell klar, dass man ohne die Gewinnung von Partnern und Förderern einen Preis mit dem hohen Anspruch und der gewünschten Reichweite, nicht wird realisieren können.

Was auch bald klar wird: für die Organisation, Verbreitung und Betreuung bei der Ausschreibung und der Vorprüfung der Bewerbungen braucht es eine professionelle Projektleitung, für die Henriette Uhlhorn gewonnen werden konnte – und die großartige Arbeit geleistet hat – Vielen Dank!

In einigen Terminen mit langen Diskussionen wird das Profil und Zielstellung entwickelt und formuliert:
Ausgangspunkt dabei sind die Rauminstallationen als zentrales Element im Werk von Hiltrud Schäfer. Und so ein bisschen als Motto stand dieses Zitat Pate bei vielen Diskussionen:

„Hiltrud hatte ein besonderes Gespür für Materialität, Form und Gestaltung, ihre Kunstwerke haben oft etwas archaisches, oftmals auch poetisches oder auch manchmal mystisches oder Nachdenkliches – immer aber sind sie von einer anziehenden haptischen Qualität geprägt.“ (Gerrit Schäfer bei der Eröffnung der Hiltrud Schäfer – Werkschau)

In der Auslobung hört sich das Ergebnis der Diskussionen dann so an:

Voraussetzung für die Bewerbung ist ein raumbezogenes Konzept für die Installation in den Räumlichkeiten der skulptur-galerie oder im Kirchenschiff der gegenüberliegenden Kunsthalle Osnabrück.

Es sollen 2-5 Preise vergeben werden

Einzugsgebiet / Regionalität:
Zum Wettbewerb sind alle Künstler:innen zugelassen, die ihren Wohn- oder Arbeitsort innerhalb des weiten
Kulturraums Osnabrück nachweisen können. Die Künstler:innen verfügen über eine künstlerische Ausbildung, studieren Kunst oder können eine mehrjährige Aktivität im künstlerischen Bereich nachweisen.

Träger:Dreidimensional e.V. /Skulptur-Galerie Osnabrück
Förderer: Freunde der Kunsthalle Osnabrück e.V. und Familie Hiltrud Schäfer. Ausstellungsorte: Kunsthalle Osnabrück und skulptur-galerie

Mit dem Konzept werden Anträge für Fördermittel eingereicht und Projektförderung akquiriert und gefunden. Das sind als Fördergeber die Stadt Osnabrück, Fachbereich Kultur und der Landschaftsverband Osnabrücker Land e.V.
Vielen Dank für die Unterstützung mit Fördermitteln, ohne die dieser Preis nicht möglich wäre!

Jury: Die Jurysitzung fand am 9.10. 2024 in der Kunsthalle statt und bestand aus 5 Personen.

v.l.n.r.:
Christina Végh
, Direktorin Kunsthalle Bielefeld
Juliane Schickedanz, Leiterin Kunsthalle Osnabrück
Jan-Gerrit Schäfer, Vertreter Familie Hiltrud Schäfer
Manfred Blieffert, Dreidimensional e.V. /Skulptur-Galerie
Annette Hans, künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin in Gesellschaft für aktuelle Kunst, Bremen
nicht im Bild:
Dagmar von Kathen – Organisation und als Moderation
Jette Uhlhorn – Vorprüfung – Vorstellung der Bewerbungen

178 Arbeiten – je Bewerbung ca. 6 Seiten – über 1000 Seiten – sehen wir in 9 Stunden durch.
13 Arbeiten kamen in die engere Wahl mit diesen 13 Arbeiten haben wir uns intensiver auseinandergesetzt und länger diskutiert
Wie viele Künstler und ihre Beiträge wollen wir würdigen? 2 bis 5 Preisträger? … welche Konzepte sind am stärksten, sind sie kraftvoll genug für den Ausstellungsort – können sie das gotische Kirchenschiff bespielen? Wird eine Vielfalt an Positionen abgebildet, wie harmonieren sie mit- oder reagieren im Kirchenraum aufeinander? haben sie Potential zum Dialogischen? Welches Konzept ist am geeigneten für die skulptur-galerie?…

und schließlich werden 4 Preisträger:innen gefunden – die am 1. März mit der Preisverleihung und der Ausstellung gewürdigt wurden.

Die Jurysitzung am 9. Oktober 2024 mit (v.ln.r.)
Christina Végh, Direktorin Kunsthalle Bielefeld
Juliane Schickedanz, Leiterin Kunsthalle Osnabrück
Jan-Gerrit Schäfer, Vertreter Familie Hiltrud Schäfer
Manfred Blieffert, Dreidimensional e.V. /Skulptur-Galerie
Annette Hans, künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin in Gesellschaft für aktuelle Kunst, Bremen

Die Preisträger*innen

Nikola Dicke

Laudatio von Manfred Blieffert zum „Kindheitstraum“ von Nikola Dicke

Als Kinder hatten wir eine Modelleisenbahn von Trix. Damit bauten wir uns unsere eigene Welt. Natürlich mit Bahnhof, einem Lockschuppen, einem umfangfreichen Gleiskörper bis auch die letzte Schiene verbaut war. Und so fuhren unsere Züge durch eine Stadt, über Land, durch ein Dorf, über Brücken, durch Tunnel und durch Schluchten aus Pappmaschee.

In Nikola Dickes preisgekrönter Arbeit „Ein Kindheitstraum“ bahnen sich zwei mit Spiegeln beladene Eisenbahnen, – hier möchte ich einen herzlichen Dank an den Modelleisenbahnservice in der Lotter Straße einfügen – in Dickes Kindheitstraum bahnen sich die Lokomotiven ihren Weg durch eine Landschaft aus Licht. Alles spiegelt und glänzt. Dia- und Overheadprojektoren werfen Zeichnungen aus Licht in eine Landschaft aus glitzernden Gegenständen.
Der Filmemacher Werner Herzog hat einmal gesagt: In einem total ausgeleuchteten Raum kann niemand leben.
Aber kaum zu kalkulierende Schatten wandern über die Wände. Ein beständig wechselndes Höhlengleichnis. Eine Anspielung auf unsere glitzernde Waren- und Konsumwelt? Aber doch dargestellt mit ganz analogen Mitteln?
Nikola Dicke spielt mit der Schaufenstersituation der skulptur-galerie. Ihr „Kindheitstraum“ erinnert an Schaufenster eines Spielwarengeschäfts, an der sich Kinder einst die Nasen plattgedrückt haben. Sie wandelt eine materielle Welt in eine immaterielle Welt aus ständig wechselndem Licht. Eine Arbeit die bei Tag funktioniert und – noch schöner – bei Nacht.
Keine andere der eingereichten Arbeiten hat sich auch nur annähernd derart intensiv, derart passgenau und derart spielerisch mit der gegebenen Raumsituation der skulptur-galerie befassst. Herzlichen Glückwunsch, Nikola Dicke!

Janina Fritz

Laudatio von Henriette Uhlhorn zum „Ablaufkelch“ von Janina Fritz

Als Kind bin ich regelmäßig mit meiner kleinen Schwester in die Badewanne gesteckt worden. Doch jedes Mal bevor das Planschvergnügen beginnen konnte, gab es einen erbitterten Kampf darum, wer von uns beiden auf welche Seite der Badewanne sitzen durfte. Ich- wohlgemerkt die größere Schwester- zog erstaunlich oft, also eigentlich immer, den Kürzeren und saß auf der uncoolen Seite, der sogenannten Stöpselseite. Die Stöpselseite war zwar tiefer als die andere, jedoch hatte ich zuverlässig nach 10 Minuten einen Abdruck an der Unterseite meines Oberschenkels, weshalb ich den Stöpsel zog und nur noch auf dem Ablaufkelch saß. Ich wurde also selbst zum Stöpsel und kann mich noch gut an die Form und Beschaffenheit des Abflusses erinnern auf dem ich saß, weshalb ich jedes Mal, wenn ich Badezimmerstöpsel oder Abflüsse oder Ablaufkelche sehe an diese Badewannenerfahrung denken muss.

Und jetzt 20 Jahre später begegnet mir im Rahmen des Hiltrud Schäfer-Kunstpreises eine Bewerbung von Janina Fritz— eine Künstlerin, die sich intensiv mit der Beziehung zwischen Körper und Raum auseinandersetzt und in ihren Skulpturen alltägliche Objekte in neue, überraschende Kontexte rückt. Das Konzept, das Janina Fritz heute zu einer der vier Preisträger.innen macht, beschäftigt sich genau damit: die Form eines Ablaufkelchs eines Abflusses beispielsweise in einer Badewanne oder einem Waschbecken, wird in eine monumentale Skulptur transformiert, die ab heute im Kirchenschiff des Kunsthalle zu betrachten ist. Ein riesiger Abfluss als Portal, als Schnittstelle zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem ragt aus dem Boden des Raumes heraus.

Und plötzlich hat der Ablaufkelch auf dem ich als Kind gesessen habe, eine völlig neue Dimension bekommen. Denn die Skulptur im Kirchenschiff zwingt uns vermeintlich alltägliche, banale Dinge, die sich in Sanitäranlagen wie einem Badezimmer befinden, anders zu sehen. Vergrößert verfremdet werden neue Perspektiven geöffnet. Der Abflusskelch wird dabei zur Metapher für Übergänge, für Verbindungen in andere unsichtbare Welten, ein Gedanke, der sich sowohl in die

sakrale Architektur des Kirchenschiffs einbindet oder aber auch an Harry Potter und die Kammer des Schreckens erinnern lässt, wo Harry Potter und seine Freunde in jenen verborgene Kammer über den Abflusskelch zum Basilisken, einer Schreckensmonster gelangen und es dort überwältigen. Auch Janina Fritz öffnet den Raum einmal auf das Unsichtbare und gleichzeitig auf den Raum in dem sich die Skulptur befindet und lädt alle Betrachtenden dazu einen neue Bedeutungsebenen zu entdecken.

Diese künstlerische Perspektive der alltäglichen Dinge, die beispielsweise in Sanitäranlagen zu finden sind, hat sich bei der Künstlerin dabei über verschiedene Stationen geformt. In Bremen geboren, begann Janina Fritz dort ihr Kunststudium und Schloss den Bachelor of Arts ab, bevor sie für den Master of Arts an das sogenannte Dirty Department des Sandberg Instituts nach Amsterdam ging. Dort begegnete sie neuen Materialien und Konzepten und beschäftigte sich mit ihrem seitdem bevorzugten Material dem Ton. Nach ihrer Zeit in Amsterdam zog sie nach Brüssel wo sie heute neben ihrem Standort in Bremen lebt und arbeitet. Ihre Werke sind in bedeutenden Ausstellung zu sehen, unter anderem in der Kunsthal Mechelen oder im Kunstverein Fischerhude und jetzt auch in der Kunsthalle in Osnabrück.

Es ist also die Tiefgreifende Auseinandersetzung mit Raum, Skulptur und Material, bevorzugt in Sanitäranlagen, die Janina Fritz Arbeit so besonders macht und sie zu einer verdienten Preisträgerin des Hiltrud Schäfer Kunstpreises macht, denn sie schaffst es mit dem Ablaufkelch den Blick auf Alltägliches zu verändern, das in Zeiten wie diesen besonders gut tun kann! Und wer weiß- vielleicht werden in Zukunft Betrachtende der Skulptur beim nächsten Blick auf Badewannen nicht mehr an Stöpsel und Abflüsse denken oder wie bei mir an unbequeme Sitzupositionen, sondern an dein wunderbares Kunstwerk liebe Janina!

Herzlichen Glückwunsch zu dieser besonderen Auszeichnung, ich bin gespannt auf das, was noch kommen wird! Und welche Überraschungen du für uns noch offen hast,
Alles Gute!

Olga Grigorjewa
Laudatio von Juliane Schickedanz zum „Highleid“ von Olga Grigorjewa

In ihrer Arbeitsweise erforscht Olga Grigorjewa die Beziehungen zwischen Formen und Materialien und ar- beitet dabei mit erzählerischer Abstraktion. Ihre Grafiken, Installationen, Performances und Videos verbin- den sich oft mit Gegenständen, Emotionen des Alltags.

Für den Hiltrud-Schafer-Kunstreis konzipierte die Künstlerin ihre neue Arbeit „Highleid“.
Darin beleuchtet sie die Höhepunkte und das tiefe Fallen menschlicher Lebensphasen sowie deren Wechsel- wirkung. Unser Leben ist oft auf das Erreichen von Spitzenleistungen ausgerichtet, sei es im Beruf, in per- sönlichen Erfolgen, in Beziehungen, Sexualität oder in Extremerfahrungen. Diese Höhepunkte sind mit in- tensiven Gefühlen und körperlichen Reaktionen wie Lust, Glückshormonen oder Adrenalin, Stress, Druck verbunden. Bei Fortschritt geht es um immer höher, schneller, weiter.
Grigorjewa fragt sich: führen diese Momente uns näher zu uns selbst oder werfen sie uns aus dem Gleichge- wicht und lassen die Realität entgleiten?
In unserer Gesellschaft werden Höhe- und Tiefpunkte häufig durch Prognosen und Statistiken abgebildet. Demografen und Diagramme messen das Leben in Zahlen, vergleichen unterschiedliche Stadien unseres Da- seins und fragen sich, was oder wer ganz oben oder unten auf der Skala steht und wie die Kurve dazwischen aussieht. Dies verschiedenen Höhe und Tiefen hat hat die Künstlerin in verschiedenen Materialien und For- men dargestellt und neu interpretiert.
Zeichnung, Skulptur, Grafik, Keramik, Performance. Sie hat damit die räumliche Atmosphäre des Kirchen- raums mit Höhe, Klang, Akustik eingenommen. Dafür und auch für ihren Humor, Feinsinnigkeit und Mut ih- rer Arbeit erhält sie den Hiltrud-Schäfer-Kunstpreis.

Gruppe Stumpf

Laudatio von Afra Creutz zum „stagerunner“ der Gruppe Stumpf

Ich möchte mit einem Zitat von Thomas von Aquin an die Schönheit beginnen:
„Pulchritudo splendor Veritas“ = Die Schönheit ist der Glanz des Wahren.
Was beschreibt Thomas von Aquin mit diesem Satz? Es ist eine Huldigung an die Schönheit der Kunst.
Das Kirchenschiff des alten Dominikanerklosters – ein phänomenales Bauwerk seiner Zeitepoche – Zeugnis bedeutungsvoller Baukunst – ist Teil der „Kunsthalle Osnabrück“.

Schon oft ist dieser Ort von Künstler*innen auf wundersame Weise verzaubert worden.
Immer wieder wurden Künstler*innen durch diesen Raum in ihren gestalterischen Ansätzen inspiriert.
Abmessungen und Raumatmosphäre dieser Baukunst wirken mächtig, sind unübersehbar und er spürbar – das Kirchenschiff hat vielen Generationen Platz gegeben, viele Nutzungen unterschiedlichster Art ermöglicht.

Heute eröffnen wir in diesem Kirchenschiff – im Rahmen der Preisverleihung des Hiltrud Schäfer Kunstpreises die Installation „stagerunner“ der Gruppe Stumpf:
Was sehen wir? Einen Putzroboter, der Spuren hinterlässt.
Sind es Linien, Zeichnungen oder Wege auf der großen Fläche am Boden?

Wo fangen Sie an? Wohin ziehen Sie?
Sollen wir ihnen folgen? Können wir den Weg mitbestimmen oder wodurch wird die Route festgelegt? ….durch welche Parameter? ….gibt es Kreuzungen, Treffpunkte, Anfang und Ende? – gibt es ein Ziel?

Und dann hören wir auch etwas: dieses leise Surren, das sich ständig verändert – lauter/leiser wird….. eine weitere Dimension des Kirchenschiffs wird für den Körper er spürbar – Schall/Echo – die Dritte Dimension des Raums wird erlebbar, dann sehen wir ihn, den Putzroboter, den „stagerunner“ und werden neugierig, wollen durch die Klangortung den Ort seines Schaffens entdecken. Er ist aber nicht an einem Ort – er ist in Bewegung ….

Es gibt einen Start und es gibt einen Endpunkt – über den Zeitraum der Ausstellung wird der Boden des Kirchenschiffs vom Putz- Roboter abgetastet – der Roboter reagiert oder besser, geht eine Interaktion mit den Raumabmessungen, den Einbauten der tragenden Konstruktion – Wänden/Stützen und den Besuchern ein. Er hinterlässt eine Spur die dieses alles verbindet.

Der „stagerunner“ bewegt sich 4 Wochen lang in der horizontalen X- und Y-Achse, Flächen werden definiert und sichtbar – zusammen mit dem Faktor Zeit, entsteht, eine Zeichnung, ein temporäres Kunstwerk, welches im Dialog und Austausch mit dem Bauwerk und den Besuchern steht.
Diese besondere Interaktion mit Raum und Zeit, verwebt die individuellen Bewegungen eines jeden einzelnen Besuchers mit den Algorithmen des Roboters.

Ich habe mir die Frage gestellt, ob es ein Ziel gibt? …. oder ob ich völlig losgelöst den Raum durchwandern und erfahren kann, muss ich ausweichen, mich anpassen, mitlaufen …wo sind die anderen gewesen?
Fragen an mich selbst bei Betrachtung der ephemeren Kreidelinien.

In der heutigen Zeit, die von Medien und Internet beherrscht ist, die uns auf kommerziell bestimmte Bild- und Formenwelten beschränkt und fixiert, uns fast blind und taub macht für unsere natürlichen und eigenen Empfindungen und Erfahrung, scheinen mich diese zarten Zeichnungen am Boden zurückzuführen, zu meiner eigenen Urteilsfähigkeit.

Ich danke den Künstler*innen der Gruppe Stumpf für diese inspirierende Installation!

Fotorundgang zu Installationen von Hiltrud Schäfer

Anna Jehle

Der Preis ist eine Kooperation der Familie von Hiltrud Schäfer, der skulptur-galerie, der Freunde der Kunsthalle und der Kunsthalle selbst als einem der Ausstellungsorte. Und welcher Ort wäre geeigneter als die Kunsthalle Osnabrück für diese Preisausstellung, nicht nur als Ort der so eng mit Hiltrud Schäfer verbunden war, sondern auch ein Ort, der immer wieder die freie Künstler:innenszene Osnabrücks einbezieht – in der auch Hiltrud Schäfer zu Hause war – und wo Fragen der Gemeinschaftsbildung seit jeher im Vordergrund des Kunstbrachtung steht.

Wir denken auch an Hiltrud Schäfer, der zu Ehren dieser Preis ins Leben gerufen wurde. Als Juliane Schickedanz und ich vor fünf Jahren nach Osnabrück gekommen sind, waren wir begeistert von Hiltrud Schäfer, dieser Frau, die in hohem Altern noch so energetisch, offen und neugierig war. Nicht zu schweigen von ihrer Kreativität, ihrem Engagement und ihren zahlreichen Ideen. 20 Jahre war sie Vorstandsvorsitzende der Freunde der Kunsthalle e.V. und mit einer Leidenschaft, die ihresgleichen sucht. Und was sie menschlich ausgezeichnet hat, zieht sich auch durch ihr Werk. Ihre Arbeiten vermitteln Dringlichkeit und haben oft Bezug zu auch heute aktuellen Thematiken. Dies hat auch die Kunsthalle Osnabrück gewürdigt und ihr zwei Ausstellungen – eine mit einer Großinstallation im Kirchenschiff (1993 „Zeitspuren. Installationen und Objekte aus handgeschöpftem Pflanzenpapier“) und eine zusammen mit der Künstlerin Elfi Plashues (2000) – gewidmet. Wir freuen uns wirklich sehr, dass wir heute mit diesem wunderbaren Preis das Gedenken an Hiltrud Schäfer wachhalten und gleichzeitig – uns so war es immer ihr Anliegen – Kunst und Kultur auf hohem Niveau fördern können.

Als Hintergrund für die Preisträger*innen-Ausstellung har Jan Gerrit Schäfer einen Fotorundgang zu den Installationen von Hiltrud Schäfer entwickelt.

Gerrit Schäfer: Ist der Hiltrud Schäfer-Kunstpreis 2025 einmalig? Wie geht es weiter?

Zunächst hatten wir in der programmatischen Arbeit und die Vorstellung verfolgt, dass der Preis mehrmalig vergeben werden soll – alle 2 Jahre im Wechsel mit dem Osnabrücker Kunstpreis des Museums- und Kunstvereins und im besten Falle etabliert er sich zu einer dauerhaften Institution im Kultur-Kalender des Kulturraums Osnabrück.

Aber die vorhandenen finanziellen Mittel sind mit diesem Projekt ausgegeben. Wenn sich ein Finanzier findet, der das Projekt finanziert incl. einer bezahlten Organisationkraft kann man das noch einmal diskutieren. Das Organisationsteam hat aber gesagt, dieses eine Mal ist super, ein weiteres Mal können wir das ehrenamtlich nicht wuppen.

Wer eine Idee für ein weitere Vergabe des Hiltrud Schäfer-Preises hat, möge sich bitte bei der skulptur-galerie, den Freunden der Kunsthalle oder bei mir melden.

architekt.schaefer@htp-tel.de
skulptur-galerie@gmx.de
Kunsthallenfreunde@osnabrueck.de
Direktion.Kunsthalle@osnabrueck.de

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